...liest gerade "Die Unschärfe der Welt" von Iris Wolff

Ein junges Ehepaar, das in ein abgelegenes Dorf zieht.

Zwei Fremde, die ein Geheimnis bergen.

Und eine Geschichte, die poetisch durch die Jahrzehnte fliegt.

 

Hannes, der gerne Fußball und Gitarre spielt, hat eine Pastorenstelle angenommen. Allerdings liegt das Dorf im Banat, einer Region zwischen Serbien, Rumänien und Ungarn, in die es nur wenige Menschen verschlägt. Zusammen mit seiner schwangeren Frau zieht er in das abgelegene Dorf. Die beiden Eheleute leben bescheiden, sind gutmütig und gastfreundlich, und führen in den engen Grenzen der Diktatur Ceaușescus ein gutes Leben.

 

Eines Tage erscheinen jedoch zwei fremde Männer, zwei Wanderer, denen sie Beherbergung gewähren. Es sind zwei nette junge Männer, höflich und interessiert. Doch sie tragen ein Geheimnis, das in der Diktatur Ceaușescus nur schwer zu ertragen ist und das die junge Familie auf die Probe stellt.

 

Diese Situation bildet den Auftakt einer deutsch-rumänischen Familiegeschichte, die über vier Generationen sowohl nach vorne als auch zurück erzählt wird. Im Mittelpunkt steht das Banat, eine multiethnische Region, in der früher vorwiegend Deutschstämmige siedelten und sich schon bald die Frage nach Heimat und Identität stellt: "Schwäbisch, slowakisch, ungarisch, rumänisch, tschechisch, jüdisch oder vielleicht serbisch?"

 

Aus sieben unterschiedlichen Perspektiven fügt sich während der Lektüre ein buntes Mosaik des letzten Jahrhunderts zusammen. Von König Michael und den Wirren des Zweiten Weltkriegs, über die schreckliche Diktatur unter Ceaușescu und seiner Securitate bis hin zum Zerfall der Sowjetunion. Jegliche Protagonisten haben wie die Zeit, in der sie leben, Brüche erfahren, jeder wurde auf seine Weise durch die Umstände geprägt. Doch alle eint das eine Gefühl, das ihnen im Herzen brennt: eine Sehnsucht, die sich auf etwas richtet, was unerreichbar erscheint.

 

„Die Erinnerung ist ein Raum mit wandernden Türen“.

Mit solch poetischen Sätzen lädt uns Wolff ein, auf ihrer melodischen und leichten Sprache die kurze, aber desto intensivere Geschichte zu durchfliegen. So leise, aber kraftvoll schreibt Wolff über vier Generationen einer Familie, über ihre Wünsche, Ängste und Erinnerungen, über Diktatur und Flucht, dass man wahrlich mitgerissen wird.

 

Ein bemerkenswerter Roman!

 

 

 

Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt

Roman

Hardcover, 216 Seiten

Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2020