...liest gerade "Vom Ende einer Geschichte" von Julian Barnes

Als der Pensionär Tony eines Tages einen Brief mit einem außergewöhlichen Erbe erhält, steht sein Leben Kopf. Bis dahin hatte er ein gewöhnliches Leben geführt, ein durchschnittliches Leben in unaufgeregten Bahnen.

 

Doch nun schleudert ihn der Brief zurück in die Vergangenheit, die er als abgeschlossene Erzählung im Kopf zu tragen meint. Er erinnert sich zurück, erinnert sich an die Schulzeit, an die Freunde, mit denen er damals sein Leben verbrachte. Er denkt zurück an die Begebenheiten, an seine Exfreundin, diese hochnäsige erste Liebe mit ihrer sonderbaren Familie, denkt an den hochbegabten Adrian, der ihnen allen intellektuell überlegen schien. Und natürlich erinnert er sich auch an den Selbstmord seines Freundes, begangen aus der philosophischen Ansicht heraus, das ungefragte Geschenk des Lebens auch wieder zurückgeben zu dürfen.

 

Doch der Brief bringt seine ganze Vergangenheit ins Wanken. Die Gewissheit seiner Erinnerungen stürzt ein und wirft Fragen auf.
Hat sich damals wirklich alles so zugetragen, wie er es in Erinnerung hat?
Ist die Vergangenheit tatsächlich so geschehen, wie er sie aus einzelnen Bildern retrospektiv zusammensetzt?

 

Barnes schreibt auf melancholische Weise über die Ungewissheit von Erinnerungen und den Mantel der Zeit, der sich über die Vergangenheit legt und bis zur Unkenntlichkeit verdeckt. Obwohl der Roman 2011 den Man Booker Prize gewann, konnte er mich dennoch nicht vollends überzeugen. Vielmehr als um falsche Erinnerungen geht es nämlich um einen Butterflyeffekt, der zum Ende hin doch etwas verschroben wirkt.

 

 

 

Julian Barnes: Vom Ende einer Geschichte

Roman, Aus dem Englischen von Gertraude Krueger

gebunden, 192 Seiten

Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011