...liest gerade „Einsteins Hirn“ von Franzobel

Thomas Harvey fristet ein Schattendasein.

Seinem Beruf kommt er freudlos nach.

Seine Ehe plätschert dahin.

Und seine Träume liegen längst begraben.

Doch dann erhält er die Chance seines Lebens – und sein Leben ändert sich fulminant.

 

Als der bedeutendste Physiker des letzten Jahrhunderts stirbt, hält die Welt den Atem an. Es ist der 18.4.1955 und eigentlich wollte Harvey wegen seines Hochzeitstags früh nach Hause. Nun soll er aber den Körper von Albert Einstein obduzieren, diesem Genie, das zu Lebzeiten bereits zur Legende geworden ist.

 

Bei der Obduktion entnimmt Harvey Einsteins Gehirn. Es ist ein Geistesblitz, der ihn durchfährt, denn er möchte dem Sitz der Genialität nachspüren und deren Geheimnis lüften. Der zuvor blasse Pathologe wird plötzlich zum gefragten Mann auf der ganzen Welt. Er gibt Interviews, wird von Experten eingeladen und gewinnt das Herz einer attraktiven Krankenschwester. Es ist eine Erfolgswelle, die ihn zu tragen scheint, doch diese Welle bricht mit aller Wucht über ihn ein, als das Gehirn plötzlich zu sprechen beginnt.

 

Leider muss ich zugeben: Franzobel und ich finden nicht mehr zueinander. Schon „Das Floß der Medusa“ enervierte mich mehr als zu unterhalten. Eines kann man Franzobel allerdings bei weitem nicht unterstellen: Phantasielosigkeit. Ausschweifend und bunt erzählt er die auf einer wahren Begebenheit basierende Geschichte von Thomas Harvey, aber mit der Zeit schlägt diese Fabulierlust in ein unglaubliches Geplapper um, dessen Lärm und Unsinn ich kaum auszuhalten vermochte.

 

Natürlich ist der Roman gespickt mit Witz und Komik, aber die Geschichte plätschert ohne wirkliche Höhepunkte dahin. Manche Dialoge sind derweil an Trivialität nicht zu überbieten und das Roadmovie durch die amerikanische Geschichte, bei dem viele historische Begebenheiten miteinander im Reißwolf landen, erinnert an eine schlechte Version von Forrest Gump.

 

Viele historische Fakten, Trends und Moden dienen auch meist nur als Einstieg in ein neues Kapitel, ohne Bezug zum Geschehen. Legte man den Grundsatz „Show, don’t tell“ als Gradmesser an den Roman, wäre er wohl krachend durchgefallen.

 

 

 

Franzobel: Einsteins Hirn

Roman

Hardcover, 544 Seiten

Zsolnay Verlag, Wien 2023