...liest gerade "Kleine Paläste" von Andreas Moster

Es ist ein berauschendes Fest.

Carl ist wie immer der Mittelpunkt aller Gäste und neidisch richten sich die Blicke auf ihn und seine Familie, die so gut zu harmonieren scheint.

Es soll ein Neuanfang werden.

Es wird eine Katastrophe.

 

Fast 32 Jahre später sehen sie sich auf dem Begräbnis seiner Mutter wieder. Hanno hat sie nie vergessen, Susanne, seine erste Liebe. Als Kinder waren sie unzertrennlich, als Jugendliche dann der erste Kuss auf dem Fest seiner Eltern. Hanno verliebte sich unsterblich in sie, doch am nächsten Tag stachen ihm nur ausdruckslose Augen entgegen. Entmutigt verschwindet Hanno kurz darauf für beinahe 30 Jahre und kehrt erst heim, als die Mutter stirbt.

 

Sein einst so strahlender Vater Carl ist inzwischen an Alzheimer erkrankt. Seine Welt und er selbst verschwinden unter einem Schleier, der nie mehr gelüftet werden soll. Nun liegt es an Hanno, sich um ihn zu kümmern, und erstaunlicherweise kriecht Susanne aus ihrem Kinderzimmer im Nachbarhaus hervor, das sie nach dem Selbstmord des Vaters und dem Tod der Mutter immer noch bewohnt.

 

In elliptischen Bahnen nähern sich Hanno und Susanne an, rotieren um Carl, der sie wie ein Atomkern miteinander verbindet. Ihre Lebensenttäuschungen reichen weit zurück, zurück zu jenem Tag, als Hannos Familie das prunkvolle Fest gab und etwas geschah, das niemals hätte geschehen dürfen.

 

Andreas Moster hat eine verschlungene Familiengeschichte erzählt, deren Stricke klug inszeniert und miteinander verflochten sind. Mit sezierendem Blick stellt er die familiären Banden dar, denen man sich nicht entziehen kann, vor denen man nicht flüchten kann, die einen bis zum Tode binden und womöglich noch darüber hinaus halten. Familien werden als kleine Paläste dargestellt, die man unter größten Schwierigkeiten erbaut und instand hält, die nach außen strahlen und in deren Schein man sich einrichtet, die allerdings durch ein wenig Wahrheit und Aufrichtigkeit zerbersten würden.

 

Durch bildhafte Vergleiche und wiederkehrende Perspektivwechsel entfädelt sich die Geschichte vor den Augen des Lesers, der durch familiäre Abgründe und Lebenslügen gerissen wird, bis er zum Innersten gelangt, auf das er verschämt und erschrocken blickt.

 

„Kleine Paläste“ ist poetisch und melancholisch, schrecklich und zugleich zutiefst menschlich.

 

 

Vielen Dank an den Arche Verlag für das Rezensionsexemplar!

 

Andreas Moster: Kleine Paläste

Roman

Hardcover, 304 Seiten

Arche Verlag, Zürich Hamburg 2021