...liest gerade "Unterleuten" von Juli Zeh.

Unterleuten, ein Dorf in Brandenburg, fern ab von der großen Politik und jeglichem Medieninteresse. Ein Dorf, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, in dem Stress, Hektik und Konflikte wie Fremdwörter aus Großstädten anmuten. Ein Dorf, das unberührte Natur bietet und gar junge Leute aus Berlin anzieht, die auf dem Land endlich die Ruhe zu finden hoffen, die die lärmende Stadt ihnen nicht mehr bieten kann.

Unterleuten, ein Idyll, in dem es unter der pittoresken Fassade gärt und schließlich zum Äußersten kommt.

 

Als der Bau eines Windparks im Raum steht, bröckelt die Fassade und unter den Rissen schimmert der wahre Charakter des Dorfes hervor. Dieses pflegt nämlich seine ganz eigenen Gesetze. Die Bewohner sind durch gegenseitige Gefälligkeiten miteinander verbandelt, so dass ein undurchschaubares Geflecht von Beziehungen das Dorf durchzieht, bestehend aus Schuld und Scham, zersetzt durch Klatsch und Tratsch. Komplotte werden geschmiedet, falsche Spiele gespielt, arglistige Fährten gelegt und innere Angelegenheiten ohne die Polizei geregelt. Und so ist es kein Wunder, dass die Seilschaften innerhalb des Dorfes als wichtigstes Standbein gelten. Als der Streit um den Windpark schließlich eskaliert, werden verborgene Leichen zutage gefördert, die das Dorf umwälzen.

 

Nachdem alle den Roman bereits gelesen haben, habe auch ich ihn mir endlich zur Brust genommen. Und was soll man noch dazu sagen?

 

"Unterleuten" ist der wohl bekannteste und erfolgreichste Roman Juli Zehs. Letztes Jahr konnte man die Verfilmung bestaunen, dieses Jahr erschien bereits mit "Über Menschen" ein ähnlich gestrickter inoffizieller Nachfolger.

 

Die Geschehnisse rund um das fiktive Dorf sind unterhaltsam erzählt. Einzelschicksale werden ineinander verflochten, Begebenheiten nach und nach miteinander verzahnt und Eigeninteressen gegeneinander ausgespielt. Durchleuchtet wird das Dorfleben, in dem jeder Einwohner sein Fett wegbekommt. Alteingesessene, die sich gegen alles Neue zur Wehr setzen, die vordergründig freundlich erscheinen und im Keller ihre Leichen stapeln, genauso wie Dazugezogene, die das Landleben nicht kennen, völlig blauäugig und naiv von der Stadt aufs Dorf ziehen und eine Idylle suchen, die nur als Utopie großstädtischer Ruhesuchender besteht.

 

Es ist aber auch die Geschichte Ostdeutschlands, dessen Firmen und Industrie, dessen Brach- und Landflächen nach der Wiedervereinigung aufgekauft wurden und somit Wendegewinner hervorbrachten, von denen die meisten aus dem Westen stammten.

 

Auch wenn ich das Ende übertrieben fand und sich der Epilog für mich gar nicht in die Erzählstruktur einfügte, empfand ich die Lektüre als sehr gute Unterhaltung, eine anschauliche und belustigende Darstellung von Menschen, die mit- und gegeneinander handeln, angetrieben durch unterschiedliche Eigenmotivationen und Ansichten. Nicht äußerst gehaltvoll, aber äußerst amüsant und unterhaltsam.

 

 

 

Juli Zeh: Unterleuten

Roman

Hardcover, 642 Seiten

Luchterhand Literaturverlag, München 2016