...liest gerade „Blauer Hibiskus“ von Chimamanda Ngozi Adichie

Eine Mauer trennt das Zuhause Kambilis vom Rest der Welt.

Eine Mauer mit Stacheldraht und Sicherheitspersonal.

Sie soll die Gefahren Nigerias abhalten, auf dessen Straßen der Umsturz tobt.

Aber was, wenn die größte Gefahr im eigenen Heim lauert?

 

Kambili lacht nie. Sie ist darauf bedacht, nicht aufzufallen und still zu sein. Erzogen, um zu gehorchen, macht sie das, was der ebenso vergötterte wie angsteinflößende Vater sagt. Als streng gläubiger Katholik und angesehener sowie wohlhabender Geschäftsmann gebärt dieser sich als Oberhaupt der Familie, als ein wahrhafter Patriarch – als Tyrann.

 

Doch dann lernt Kambili den Rest ihrer Familie kennen, ihren Opa, der alte Traditionen feiert und Igbu spricht, ihre Cousine und Tante, die zwar in bescheidenen Verhältnissen leben, aber so frei, frech und selbstbewusst sind, dass sie nur staunen kann. Als dann auch noch politische Unruhen einsetzen und sie sich zum ersten Mal verliebt, ändert sich ihr Leben radikal.

 

In Adichies Debütroman treffen die kolonialisierte und traditionelle Welt Nigerias unversöhnlich aufeinander. Während in der einen Englisch gesprochen, Jesus und die weiße Welt verehrt wird, spricht man in der anderen Igbu und hängt alten Götterwesen und Traditionen an. In der Figur des Vaters bricht zudem ein religiöser Fanatismus durch, der Liebe mit Härte und Gewalt gleichsetzt und Folter als Erziehungsmethoden erlaubt.

 

Obwohl schon 2003 veröffentlicht, spricht der Roman mit dem Patriarchat ein leider immer noch aktuelles Thema an, dessen Ketten man sich nur mit Gewalt entledigen kann. Vor allem wirft er die Frage danach auf, wie weit man zu gehen bereit ist, um Freiheit vom Joch des Unterdrückers zu erreichen?

 

Während die pubertierende Kambili desillusioniert ihren eigenen Weg geht, flackert zwischendurch stets die politische Lage Nigerias in den frühen 90er Jahren auf, dessen System von Terror und Umsturz bedroht wird.

 

All das wird in der bunten Sprache einer Fünfzehnjährigen erzählt, die sehr bildreich, zart und sanft daherkommt.

 

„Blauer Hibiskus“ gilt als ein Meilenstein der jungen feministischen Weltliteratur und konnte mich durchaus begeistern.

 

 

 

Chimamanda Ngozi Adichie: Blauer Hibiskus

Roman, aus dem Englischen von Judith Schwab

Taschenbuch, 336 Seiten

Fischer Taschenbuch, Berlin 2015