...liest gerade „Frau Putz" von Julia Hoch

Kerstin Wischnewski ist selbstständige Reinigungskraft. Sie erledigt jene Aufgaben, für die sich andere zu schade sind. Als ihr schließlich die Aufträge wegbrechen, übernimmt sie die lukrativen Stellen einer Kollegin, die sich in die Rente verabschiedet. Doch zwischen kreischenden Drillingen, einem nervtötenden Mops und einem eigenwilligen Künstler gerät sie zunehmend aus dem Gleichgewicht.

 

Schokolade bietet ihr eine Ersatzbefriedigung. Und so verschlingt sie abends Stück für Stück, um den körperlichen und seelischen Schmerz zu übertünchen, denn obwohl sie rund um die Uhr arbeitet, reicht es doch kaum zum Leben. In der Hoffnung, ihrer Tochter eine bessere Zukunft zu bieten, arbeitet sie bis zur Selbstaufgabe, bis es irgendwann nicht mehr geht.

 

Mit viel Witz und Situationskomik zeichnet Julia Hoch das Porträt einer alleinerziehenden Mutter, die alles gibt und nichts bekommt. Auf den ersten Blick wirkt der Roman leicht und erfrischend, doch zwischen den Zeilen entwirft er ein frappierendes Bild unseres gesellschaftlichen Miteinanders. Denn Julia Hoch lenkt den Blick auf die prekären Verhältnisse von Arbeiterinnen, deren Tätigkeit nicht anerkannt wird, die als Putzfrau oder gar Putze erniedrigt werden, Arbeiterinnen, die austauschbar und gesichtslos bleiben, in denen man nie den Menschen, sondern nur die Arbeitskraft sieht.

 

Sie sind unsichtbar und sollen im Verborgenen arbeiten. Menschen, die als sozial schwach gelten, obwohl sie oft genau das Gegenteil beweisen, so auch Kerstin, die anderen hilft, obwohl sie selbst nie Hilfe erfährt. Statt sozial wird sie vielmehr finanziell schwach gehalten, herbeigeführt durch ein System, das sie ausbeutet. Ein Schicksal, das leider zu viele alleinerziehende Mütter teilen.

 

Der Roman schafft es auf höchst unterhaltsamer Weise das Leben einer Person ohne Privilegien darzustellen, einer Person, der fehlende Anerkennung, Respektlosigkeit und Unmenschlichkeit entgegenschlagen, und erinnert dadurch an seinen besten Stellen an Werke von Fallada oder Keun.

 

Gerade wurde der Roman mit dem Preis des Literaturfestes Meißen ausgezeichnet.

Absolut verdient, wie ich finde!

 

 

Julia Hoch: Frau Putz

Roman

Klappenbroschur, 250 Seiten

Ulrike Helmer Verlag, 2024