...hört gerade Michael Köhlmeier zu

Gestern war der großartige Erzähler Michael Köhlmeier zu Gast in Freiburg und stellte in der Buchhandlung Rombach seinen neuen Roman "Das Philosophenschiff" vor.

Im Jahre 1922 verschickte die entstehende UdSSR hunderte Menschen per Schiff und verwies sie des Landes. Trotzki nannte es einen Akt der Humanität, da man den Personen zwar nichts vorwerfen könne, sie wegen ihrer Art und Intelligenz aber verdächtig seien und man sie deswegen mit Sicherheit später erschießen müsse. Auf diesen real existierten Philosophenschiffen lässt Köhlmeier schließlich einen älteren Mann an Bord gehen, einen Mann, der nur noch im Rollstuhl sitzen kann, einen Mann, der schwer gezeichnet ist vom Leben. Einen Mann namens Lenin.

 

"Was wäre, wenn...?" ist wohl die Formel eines jeden Schriftstellers. Doch Köhlmeier geht sogar noch einen Schritt weiter und sieht im Konkunktiv die wohl größte Errungenschaft des Menschen. Sich etwas vorzustellen, was nicht ist, etwas zu erfinden, was nicht gefunden werden kann, ist wohl des Menschen bedeutendste Leistung.

 

Und so gibt er auch eine klare Antwort auf die Frage nach der Autofiktionalität seines Werkes. Denn diese sei nur eine neumodische Bezeichung der Literaturkritik für etwas, was es immer schon gegeben habe. Denn wer schreibe nicht autofiktional, dh wer verarbeite nicht Erlebtes in seinen Werken und paare es mit Fiktion? Schon Goethe schrieb "Dichtung und Wahrheit" oder Moritz "Anton Reiser".

 

Natürlich weist der Roman auch Bezüge zu aktuellen Geschehnissen auf, ist es doch immer die Intelligenzija, die als erste in Diktaturen des Landes verwiesen, verfolgt oder getötet wird. Die politischen Umständen seien für Köhlmeier jedoch zweitrangig, im Vordergrund stehe bei ihm immer der Mensch und dessen Beweggründe. Er wolle die ganze Bandbreite des Menschseins abbilden und damit zeigen, wie der Mensch ist, und nicht, wie er sein soll. Erzählen sehe er als Akt der Empathie und nicht als politische Agenda.

 

Die Lesung machte ungeheur neugierig. Der Gang zur nächsten Buchhandlung ist schon geplant, denn ich brauche unbedingt diesen Roman.

 

 

 

Michael Köhlmeier: Das Philosophenschiff

Roman

Hardcover, 224 Seiten

Hanser Verlag, München 2024