...liest gerade „Aufbrechen“ von Tsitsi Dangarembga

Ein Mädchen, das nach Bildung dürstet.

Das gegen die Ungerechtigkeit seiner Welt kämpfen will.

Das sich allen Widerständen mutig entgegen stellt und das doch seinen Preis zu zahlen hat.

Denn es lebt in einer Welt, in der das weibliche Geschlecht nicht viel zählt.

 

Tambu wird in einer ärmlichen Familie im ehemaligen Rhodesien geboren. Was der Vater durch Faulheit verschläft, wird der Mutter doppelt und dreifach aufgebürdet. Denn sie ist es, die für die Familie sorgt, die kocht, sich um den Haushalt kümmert und die Kinder erzieht. Tambus Weg scheint vorgezeichnet in einer Welt, in der Mädchen nicht viel zählen. So muss sie als Kind bereits tatkräftig beim Arbeiten helfen, während ihr älterer Bruder die Schule besuchen darf. Die Mutter erinnert sie an ihr Schicksal, eine schwarze Frau zu sein und damit gleich eine doppelte Bürde zu tragen.

 

Als ihr Bruder unerwartet stirbt, erhält sie durch die Familie ihres Onkels die Chance, in die Schule zu gehen. Sie zieht zu ihr und entdeckt, dass diese Familie so anders ist als ihre eigene. Sie wohnt in einem Haus mit Angestellten, der Onkel ist angesehen und verdient gutes Geld, die Tante hat ihren eigenen Kopf und ihre Cousine ist widerspenstig und gibt dem Vater Widerworte. Ist sie durch die Jahre in London verzogen oder rebelliert sie gegen die Unterdrückung der Frau?

 

Was klingt wie ein gerade erst erschienener Roman, der die Missstände von Frauen thematisiert, ist bereits 35 Jahre alt.

 

Der Roman ist eine Coming-of-Age Geschichte und spiegelt eindrücklich die Erfahrungen eines Mädchens in einer patriarchalischen Welt wider. Rassismus, Apartheid und Armut bestimmen ihr Leben genauso wie alte Familienstrukturen und Stammesdenken. Doch durch den unbändigen Drang nach Bildung öffnet sich ihr eine ganz andere Welt. Immer mehr begreift sie, wie es um die Rolle der Frau bestellt ist in einem System, das Frauen knechtet und herabwürdigt.

 

Aus den Augen eines Kindes diese gänzlich fremde Welt in Afrika zu betrachten, fand ich ungemein spannend und bereichernd. Nicht der Fakt, dass Frauen seit Menschheitsgedenken unterdrückt werden, sondern die Beschreibungen der Kultur, der Menschen, ihrer Schicksale und Beweggründe, ihrer Probleme und Mentalitäten an diesem fernen Ort machen diesen Roman zu einem ganz besonderen.

 

Schon 1988 geschrieben, 1991 ins Deutsche übersetzt, 2018 in die BBC-Liste der „100 Bücher, die die Welt geprägt haben“ aufgenommen, aber erst durch die Auszeichnung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2021 auch endlich hier gewürdigt.

 

Der Beginn einer Trilogie, deren zweiter Teil erst dieses Jahr als Übersetzung erscheinen soll, obwohl der dritte Band bereits im Deutschen vorliegt. Ich werde auf jeden Fall noch beide lesen.

 

„Aufbrechen“ erschien im Orlanda Verlag in der Reihe „Afrika bewegt“, übersetzt von keinem Geringeren als Ilija Trojanow.

 

 

Tsitsi Dangarembga: Aufbrechen

Roman

Klappenbroschur, 280 Seiten

Orlanda Verlag, Berlin 2019