...liest gerade "Verschwörung gegen Amerika" von Philip Roth

Keiner hat mit ihm gerechnet, doch jetzt ist er Präsident.

 

Am Tag nach der Wahl herrscht ungläubiges Staunen bei den Meinungsforschern. Es war ein Wahlkampf voller Täuschungsmanöver, in dem sich der Kandidat zu präsentieren wusste und mit seinem Slogan "America First" die Wählerschaft auf seine Seite gerissen hat. Die Menge glaubt, er sei einer von ihnen und werde sie beschützen. Es ist ein Erdrutschsieg.

 

Doch unter seiner Herrschaft verändert sich Amerika plötzlich mit unglaublichem Tempo. Ausgrenzung und Hetze nehmen täglich zu. Die Gesellschaft spaltet sich. Das Klima wird rauer. Übergriffe auf Minderheiten finden statt, Angriffe, die die Politik versucht kleinzureden. Die unabhängige Presse wird immer weiter diskreditiert, bis auch sie sich Übergriffen ausgesetzt sieht. Der Präsident ist egozentrisch und sieht sich über dem Gesetz. Er will sich so weit wie möglich von seinem Vorgänger absetzen und schließt deswegen Verträge mit Despoten und Diktatoren, die er zu seinen Freunden zählt. Seine Präsidentschaft ist unbestritten die größte Bedrohung, die die amerikanische Demokratie jemals erlebt hat.

 

Nein - die Rede ist nicht von Donald Trump. Die Parallelen sind zwar verblüffend, aber in dem Roman aus dem Jahr 2004 (!) geht es um Charles Lindbergh, dem Fliegerheld Amerikas aus den 1920er Jahren. Er ist Antisemit, verehrt den Nationalsozialismus und trägt sogar das Großkreuz des Deutschen Adlerordens, verliehen von Hermann Göring höchstpersönlich.

 

Was wäre gewesen, wenn...

 

Was wäre gewesen, wenn sich der beliebte Held - so wie es einige Republikaner damals tatsächlich anstrebten - 1940 gegen Franklin D. Roosevelt zur Wahl des Präsidenten gestellt und gewonnen hätte?

 

Der Roman geht dieser Frage bedrückend und eindringlich nach. Anhand einer jüdischen Familiengeschichte, erzählt aus der Sicht eines Kindes, beschreibt er das Chaos und die Panik, die ein autoritärer Antisemit, Faschist und Egomane als Präsident heraufbeschwört. Er beschreibt, wie eine Gesellschaft umschwenkt, immer mehr Hass und Spaltung erlebt, wie sie zerfällt und durch eine Verschwörung droht, zu kapitulieren, angestachelt durch Worte und Taten des Präsidenten und seiner Regierung.

 

Ich habe den Roman regelrecht verschlungen. Dabei ist es kaum zu glauben, dass er bereits aus dem Jahr 2004 stammt. Geradezu prophetisch hat Roth darin die starke Führungsgsmacht beschrieben, nach der sich so viele Amerikaner (und viele weitere Nationen) sehnen. Die Parallelen zur heutigen Zeit sind so frappierend, dass man fast einen zeitgenössischen Roman zu lesen meint, einen Roman, der einem mehr und mehr die Kehle zudrückt und durch den man eine Ahnung davon bekommt, was es heißt, einer Minderheit in einem autoritärem Regime anzugehören.

 

Ein großartiger Roman! Faszinierend und absolut lesenswert!

 

 

 

Philip Roth: Verschwörung gegen Amerika

Roman, Deutsch von Werner Schmitz

Taschenbuch, 544 Seiten

Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2007